Arbeitsrecht

Sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses bei 22 Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung zulässig

25.10.2019

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.08.2019 – 7 AZR 452/17 –


Grundsätzlich ist es möglich, Arbeitsverträge statt auf Dauer auch befristet schließen zu können, was zur Folge hat, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf einer kalendermäßig bestimmten Frist oder dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses endet, ohne dass es hierzu einer besonderen Kündigung oder der Schließung eines Aufhebungsvertrages bedarf.

Befristungen von Arbeitsverträgen sind für Unternehmen ein gern genutztes Instrument, neue Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum als die übliche Probezeit von sechs Monaten erproben zu können. Gleichzeitig können flexibel längerfristig ausfallende Mitarbeiter, beispielsweise aufgrund von Krankheit oder Elternteilzeit, temporär ersetzt werden.

Ursprünglich ins Leben gerufen um insbesondere langzeitarbeitslosen Arbeitnehmern die Wiedereingliederung in das Berufsleben zu erleichtern, werden befristete Arbeitsverträge inzwischen aus Sicht der Arbeitnehmer als überwiegend nachteilig angesehen. Zwar können auch befristet angestellte Arbeitnehmer nach einer 6-monatigen Wartezeit Kündigungsschutz nach § 1 KSchG für sich in Anspruch nehmen, jedoch hilft diesen regelmäßig die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht wirklich weiter, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung ohnehin in absehbarer Zeit endet.

Um Arbeitnehmer vor den genannten Benachteiligungen zu schützen, knüpft der Gesetzgeber mithilfe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) die Befristung an bestimmte Bedingungen: Ein Arbeitsverhältnis darf ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes nur ausnahmsweise befristet werden.

14 Abs. 2 S. 1 TzBfG regelt, dass die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig ist. Eine Befristung ist unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber „bereits zuvor“ ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

Verstößt eine Befristung gegen dieses Verbot, kann der Arbeitnehmer auf Feststellung klagen, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Welche zeitliche Reichweite als „bereits zuvor“ zu verstehen ist und das „Vorbeschäftigungsverbot“ zur Folge hat, ist in der Rechtsprechung nach wie vor höchst umstritten.

In einer Entscheidung aus dem Jahre 2011 (BAG, Urteil vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 –) erachtete das BAG die Auslegung „bereits zuvor“ als „jemals zuvor“ für zu streng. Es entschied daher, dass eine sachgrundlose Befristung auch dann möglich sei, wenn zwischen dem alten und dem neuen Arbeitsverhältnis ein Zeitraum von drei Jahren liegt. Die Richter orientierten sich bei ihrer Gesetzesauslegung an der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Ein Missbrauch durch den Arbeitgeber in Form von sogenannten Befristungsketten sei in diesen Fällen nicht gegeben.

Das Urteil löste heftige Kritik aus. Im Jahre 2018 schaltete sich das Bundesverfassungsgericht ein und schob der Auslegung der Erfurter Richter einen Riegel vor, indem es die „Drei-Jahres-Grenze“ ausdrücklich für unzulässig erklärte (BVerfG, Beschlüsse vom 06.06.2018 - 1 BvL 7/14; 1 BvL 1375/14). Die genannte Grenze stelle eine unzulässige Rechtsfortbildung der Richter dar, die eindeutig mit dem Willen des Gesetzgebers kollidiere.

In einem Urteil im Januar 2019 (Urteil vom 23.01.2019 - 7 AZR 733/16) schloss sich das BAG der Rechtsprechung des BVerfG an. Im Zuge ihrer Urteilsbegründung brachten die Richter jedoch zum Ausdruck, dass sie es auch nach der Entscheidung des BVerfG grundsätzlich für möglich hielten, den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG in bestimmten Einzelfällen verfassungskonform auszulegen.

Diese Möglichkeit hat das BAG in einer aktuellen Entscheidung (BAG, Urteil  vom 21.08.2019 - 7 AZR 452/17) genutzt, indem es entschied, dass eine sachgrundlose Befristung möglich sei, wenn die Vorbeschäftigung „sehr lange“ zurückliege, in diesem Fall 22 Jahre.

Die Klägerin war bei der beklagten Arbeitgeberin von Oktober 1991 bis November 1992 als Hilfsarbeiterin für Kindergeld beschäftigt. Im Oktober 2014 stellte die gleiche Arbeitgeberin sie als „Telefonservicearbeiterin“ erneut ein. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst bis zum 30.06.2015 befristet und anschließend bis 30.06.2016 verlängert.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung am 30.06.2016 geendet hat. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das LAG gab ihr statt.

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist ohne Sachgrund wirksam. Die Annahme eines Vorbeschäftigungsverbotes sei im konkreten Falle unzumutbar, da eine Missbrauchsgefahr für Kettenbefristungen nach einer so langen Zeit nicht gegeben sei. Es lägen auch keine besonderen Umstände vor, das Verbot dennoch anzuwenden.

In welchen Fällen das Vorbeschäftigungsverbot auch in Zukunft greifen wird und wann nicht, wird weiterhin stark vom jeweiligen Einzelfall abhängen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber sich - wie angekündigt - dieser Problematik annehmen wird und für Klarheit sorgt.

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