Zivilprozess
Gerichtsverhandlung per Videokonferenz - geht das?
15.02.2021
§ 128a Zivilprozessordnung (ZPO)
Im Zivilprozess gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz. Hiernach müssen die mündliche Verhandlung und die Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht stattfinden. Dies bedeutet, dass alle Prozessbeteiligten auch körperlich im Gerichtssaal anwesend sein müssen.
Im Hinblick auf den technischen Fortschritt hat der Gesetzgeber im Jahre 2013 diesen Grundsatz gelockert und die neue Regelung des § 128a ZPO geschaffen, der es gestattet, dass Prozessbeteiligte durch eine Bild- und Tonübertragung an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen können. Hiernach ist es also zulässig, Parteien und ihre Anwälte, Sachverständige oder Zeugen per Video anzuhören. Eines besonderen Grundes bedarf es hierzu nicht. Dass dies tatsächlich möglich ist, ist allgemein allerdings nur wenig bekannt und wird aus unserer Sicht viel zu wenig genutzt.
Eine Gerichtsverhandlung per Videochat wird vom Gericht von Amts wegen, angeordnet, wenn das Gericht dies für zweckmäßig hält. Auch die Parteien selbst können beim Gericht beantragen, einen Gerichtstermin per Videochat durchzuführen. Allerdings müssen die Beteiligten vorher angehört werden, denn ein Prozessbeteiligter kann nicht gegen seinen Willen gezwungen werden, an einem Gerichtstermin per Videochat teilzunehmen, d.h. dieser kann auch bei Durchführung des Videochats immer noch persönlich im Gerichtssaal erscheinen. Damit nämlich die Verhandlung öffentlich bleibt, wird das Video in den Sitzungssaal übertragen. Dies kann auch das Dienstzimmer des Richters sein.
Den hessischen Gerichten steht zur Durchführung von Gerichtsverhandlungen per Videochat das hessische Videokonferenzsystem HessenConnect zur Verfügung, an dem Prozessbeteiligte per Webbrowser mit dem kostenlosen Plug-In Skype Web App oder über die Software Skype for Business teilnehmen können.
Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Gerichtverhandlungen per Videochat zwar zunächst gewöhnungsbedürftig aber gleichwohl sehr gut durchführbar sind.
Insbesondere in Corona-Zeiten stellt die Durchführung "kontaktloser" Verhandlungen eine sehr gute Alternative dar, da das Infektionsrisiko auf diese Weise komplett beseitigt wird. Statt dass sich Verfahren erheblich in die Länge ziehen, weil die Gerichte die Termine wegen der Pandemie über Monate und länger verschieben, wie es immer noch gang und gäbe ist, können auf diese Weise die Verfahren ungehindert fortgesetzt werden. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: insbesondere bei Terminen, die weit entfernt vom Sitz der Partei oder deren Rechtsanwalts stattfinden, können erhebliche Kosten eingespart werden, die ansonsten alleine durch An- und Abreise entstehen.
Die Gerichtsverhandlung per Video-Chat stellt damit nicht nur in Corona-Zeiten eine effektive und kostensparende Alternative zum Gerichtstermin vor Ort dar.
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Ihr Ansprechpartner
Nils-Frederik Göbel
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Medizinrecht