Erbrecht / Immobilienrecht

Steuerbefreiung bei Selbstnutzung des Familienheims innerhalb der ersten sechs Monate

15.11.2019

Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 28.05.2019 – II R 37/16 –


Für Erben einer Immobilie besteht die Möglichkeit von der Erbschaftssteuer befreit zu werden, wenn sie innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Erbfall diese selbst beziehen. Ein Einzug nach dem Zeitraum von sechs Monaten führt hingegen nur in absoluten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb des Familienheims.

In dem zugrundeliegenden Urteil beerbten zwei Brüder als Miterben ihren im Januar 2014 verstorbenen Vater. Teil des Nachlasses war ein 120 qm² großes Zweifamilienhaus, welches der Vater bis zu seinem Tod alleine bewohnt hatte. Im Zuge eines Vermächtniserfüllungsvertrages erwarb der Kläger das Alleineigentum an dem Wohnhaus, was am 02.09.2015 ins Grundbuch eingetragen wurde. Der Kläger begann jedoch erst im Juni 2016 mit Renovierungsarbeiten.

In diesem Fall setzte das Finanzamt Erbschaftssteuer gegen den späteren Kläger fest, ohne die Steuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) zu berücksichtigen.

Eine Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Erblasser ein im Inland belegenes Grundstück bis zum Erbfall als Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder dass er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Der Erbe muss sodann „unverzüglich“ die Wohnung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmen. Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung bestimmt, wenn der Erbe die Absicht hat, die Wohnung als solche zu nutzen und diese Absicht auch umsetzt.

Der Kläger setzte sich im Einspruchs- und Klageverfahren gegen die Festsetzung der Steuerlast zur Wehr.

Der BFH bestätigte die Versagung der Steuerfreiheit. Der Kläger habe die Wohnung nach der Eintragung im Grundbuch nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt. Unverzüglich erfolgt eine Handlung nach Auffassung des Gerichts nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Die Richter legten den in § 121 BGB niedergeschriebenen Begriff „unverzüglich“ mit einem Zeitraum von sechs Monaten aus.

Die Richter betonten jedoch, dass gleichzeitig die grundsätzliche Möglichkeit bestehe, auch für darüber hinausgehende Zeiträume in den Genuss der Steuerbefreiung zu gelangen, wenn der Erwerber die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Dies sei z.B. der Fall, wenn sich der Einzug wegen einer Erbstreitigkeit zwischen den Miterben über den Sechsmonatszeitraum hinaus um einige weitere Monate verzögert. Verzögerungen z.B. wegen der Renovierung der Wohnung, sind hingegen nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich die Renovierung deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss. In all diesen Fällen obliege muss aber der Erbe darlegen und beweisen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat, wobei die Anforderungen daran mit zunehmenden Zeitablauf steigen. Wird der zeitliche Abstand zwischen Erbfall und dem tatsächlichen Einzug des Erwerbers in das jeweilige Eigenheim größer, erhöht sich gleichzeitig auch die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Umstände, die zu einer verzögerten Nutzung geführt haben.

Vorliegend hatte der Kläger erst im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung ins Grundbuch überhaupt erst Renovierungsarbeiten durch die Einholung von Handwerker-Angeboten in die Wege geleitet. Der Kläger hatte nicht darlegen können, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hatte.

Auch wurde dem Kläger angelastet, dass er außerdem zum Tag der mündlichen Verhandlung, zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall, das geerbte Haus immer noch nicht bezogen hatte.

Wer also in Zukunft von der Steuerfreiheit des § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG profitieren will, sollte möglichst zeitnah die Entscheidung zur Selbstnutzung anzeigen und in seiner Verantwortung liegende Verzögerungen nach Möglichkeit vermeiden. Dies beinhaltet auch, mögliche Instandsetzungsarbeiten zügig in die Wege zu leiten.

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