Medizinrecht

Wer haftet eigentlich für Impfschäden?

16.04.2021

Ärzte, Hersteller, Staat - die Frage der Haftung für Impfschäden kann im Einzelfall schwierig sein. 


Während es vielen mit dem Impfen nicht schnell genug gehen kann, reißen die Meldungen über mögliche Nebenwirkungen von COVID-19-Impfungen mit erheblichen – zum Teil sogar tödlichen – Folgen nicht ab.

Besonders in den Schlagzeilen steht der Wirkstoff des Herstellers Astrazeneca. Das Paul-Ehrlich-Institut hat bislang über 40 Verdachtsfälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfungen mit diesem Wirkstoff gemeldet. Beim Vektorimpfstoff des Herstellers Johnson & Johnson scheint es ähnliche Fälle zu geben.

Ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den beschriebenen Folgen besteht, ist zwar noch nicht abschließend geklärt. Auf jeden Fall reichen die Meldungen aber aus, um eine erhebliche Unsicherheit in der Bevölkerung auszulösen. Der zwischenzeitlich verhängte und dann doch wieder aufgehobene Impfstopp für das Astrazeneca-Vakzin und eine Umkehr bei der Empfehlung der Altersklassen um 180 Grad hat hier nicht gerade zur Beruhigung beigetragen, im Gegenteil.

Impfskeptiker meinen außerdem, es gehe ohnehin alles viel zu schnell, die Vakzine seien genmanipuliert, die Wirkung ließe sich noch gar nicht abschätzen. Für andere wiederum ist die Corona-Impfung ein Hoffnungsträger. Das RKI weist darauf hin, dass das Risiko, Schäden durch die Erkrankung davonzutragen viel höher sei, als das Risiko eines Impfschadens.

Welcher Meinung auch immer man folgt: die Frage, wer im Fall der Fälle eigentlich haftet, wenn es zu einem Impfschaden kommt, ist durchaus berechtigt. Dieser Frage widmen wir uns in unserem heutigen Beitrag: 

 

Wann liegt ein Impfschaden überhaupt vor?

Nicht jede kleine Rötung am Arm, nicht jedes Unwohlsein nach einer Impfung stellt einen Impfschaden dar, sondern die Beeinträchtigung muss über das „Übliche“ hinausgehen. Unter einem Impfschaden versteht man nach § 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz (IfSG) „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung", die zu einer dauerhaften (länger als sechs Monate andauernden) gesundheitlichen Schädigung führt. In vielen Urteilen haben die Sozialgerichte bereits solche Impfschäden bejaht, für COVID-19-Schutzimpfungen wegen der Aktualität bislang noch nicht.

 

Haftung des Arztes

Die direkte Kontaktperson beim Impfen ist die Ärztin/der Arzt, sei es im Impfzentrum oder bei der Hausärztin / dem Hausarzt.

Ärzte (beziehungsweise der Staat, wenn es um ein staatliches Impfzentrum geht) haften aber nur dann für einen Schaden, wenn sie schuldhaft etwas falsch gemacht haben. Mögliche Behandlungsfehler beim Impfen dürften sich in erster Linie bei der Aufklärung des Patienten abspielen. So hat der Arzt etwa vergangene Krankheiten zu identifizieren, die möglicherwiese einer Impfung entgegenstehen sowie eine Tauglichkeitsprüfung unmittelbar vor der Impfung durchzuführen. Der Arzt muss über alle Risiken und Nebenwirkungen in der Zukunft aufklären. Hierbei wird die Aufklärung durch den Arzt - und die Einwilligung des Patienten – neuerdings auch die Risiken zur Thrombose umfassen müssen. In jedem Fall muss der Arzt schuldhaft etwas falsch gemacht haben, was der Patient ihm zu beweisen hat. Inwieweit grobe Behandlungsfehler vorliegen, bei denen hingegen der Arzt seine Unschuld beweisen muss, wird bei COVID-19 künftig die Gerichte beschäftigen.

 

Haftung des Herstellers

Weiterer möglicher Ansprechpartner nach einem Impfschaden kann der Hersteller des Impfstoffes sein, also beispielsweise Astrazeneca.

Hier kommt es im Gegensatz zur Arzthaftung nicht darauf an, dass dem Hersteller ein Verschulden zur Last fallen muss, sondern es gilt die sogenannte „Gefährdungshaftung“, die für den Fall von Medikamenten in § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt ist. Hiernach ist der Hersteller schon dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn das Arzneimittel bzw. der Impfstoff bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die "über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen", was etwa bei einer tödlich verlaufenden Thrombose sicher der Fall ist.

Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bekannte Nebenwirkungen vertretbar sind, wenn das Arzneimittel zugelassen ist. Wenn man also die neu bekannt gewordenen Nebenwirkungen in die Aufklärung und den Beipackzettel aufgenommen hat, wird es mit der Haftung des Herstellers schwierig werden. Wenn aber Nebenwirkungen auftreten, die noch nicht bekannt sind, kann man durchaus den Hersteller verklagen, müsste dann aber nachweisen, dass man durch die Impfung geschädigt wurde. Allerdings gibt es gewisse Beweiserleichterungen. So ist beispielsweise in § 84 II AMG geregelt, dass vermutet wird, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist, wenn das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Das heißt, der Geschädigte muss in der Regel nicht den Ursachenzusammenhang zwischen Arzneimittel und Schaden beweisen. Bevor man einen Pharma-Hersteller verklagt, sollte man sich auf jeden Fall durch einen entsprechend spezialisierten Rechtsanwalt beraten und gegebenenfalls auch vertreten lassen.

 

Haftung des Staates

Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass es bei bekannten Risiken, richtiger Aufklärung und Einwilligung auch bei gravierenden Schäden keinen Anspruch gegen den Arzt oder den Hersteller gibt.

Geimpfte Personen sind nach einem "Impfschaden" dennoch nicht schutzlos, denn sie können einen sogenannten „Aufopferungsanspruch“ direkt gegen den Staat geltend machen. Dies ist in § 60 Infektionsschutzgesetz geregelt.

Auch die Haftung des Staates ist verschuldensunabhängig und unterliegt nicht der Verjährung. Hintergrund dieser Regelung ist der Gedanke, dass die Impfung zum Wohl der Allgemeinheit als Präventivmaßnahme aufgrund staatlicher Empfehlung erfolgte und eine Erkrankung als Impffolge daher als Sonderopfer zu werten ist. Mit anderen Worten: Die Menschen impfen sich nicht allein zum eigenen Schutz, sondern auch im Interesse des Staates zum Schutze anderer. Deshalb sollen sie versorgt sein, wenn ihnen dabei etwas zustößt.

Voraussetzung für eine Haftung des Staates ist, dass die Schutzimpfung beziehungsweise spezifische Prophylaxe von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen wurde. Sie muss darüber hinaus nach dem Infektionsschutz angeordnet worden, gesetzlich vorgeschrieben oder aufgrund internationaler Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden sein. Dies gilt insbesondere für Impfstoffe, die zugelassen wurden und auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission sowie mehrerer Wissenschaftlicher Institute (Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut) verabreicht werden, selbst wenn gewisse Nebenwirkungen von vorneherein bekannt sind: Das ist bei der Corona Schutzimpfung der Fall.

Der Antrag auf Entschädigung beziehungsweise Versorgung muss beim zuständigen Versorgungsamt gestellt werden, welchem dann die Beurteilung obliegt, ob eine gesundheitliche Schädigung durch die Impfung verursacht wurde.

Lehnt das Versorgungsamt den Antrag ab, kann hiergegen Klage zum Sozialgericht erhoben werden.



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